Der Kreiskongress möge beschließen:
1 Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen einer vom Gericht
2 gestellt – oder etwa nicht? Dieser berühmte Satz aus US-amerikanischen
3 Serien und Filmen gilt in Deutschland nicht. Hierzulande entscheidet das
4 Gericht anhand eines Katalogs darüber, ob der oder die Angeklagte einen
5 Anwalt wirklich braucht. Menschen, die sich einen Anwalt nicht leisten können,
6 stehen somit in vielen Fällen ohne Rechtsbeistand da, in denen ihnen eine
7 Haftstrafe drohen kann. So kommt es zu Fällen, in denen juristisch völlig
8 unbedarfte Personen zwei ausgebildeten Prädikatsjuristen gegenübersitzen.
9 Ferner kann sich auch ein Richter irren und eine eigentlich notwendige
10 Anordnung eines Pflichtverteidigers übersehen. Dies stellt zwar einen
11 absoluten Revisionsgrund dar – doch welcher Verteidiger soll dies erklären?
12 Beispielsweise unangewendet bleibt, dass unter Betreuung stehende
13 Personen sich selbst verteidigen sollen, da auch die Betreuer keine Kenntnis
14 dieses Anspruchs haben.
15 Problematisch ist auch der sogenannte Strafbefehl. Dabei wird dem
16 Angeklagten ohne vorherige Hauptverhandlung eine Entscheidung verkündet,
17 gegen die er innerhalb von lediglich 14 Tagen form- und fristgerecht Einspruch
18 erheben muss – im Zweifel ohne juristischen Beistand.
19 Wir sind der AuȈassung, dass eine Verteidigung in Strafverfahren
20 grundsätzlich notwendig ist und fordern daher im Sinne des Gebots eines
21 fairen Verfahrens die standardmäßige Beiordnung eines Pflichtverteidigers
22 zum Zeitpunkt der EröȈnung eines Ermittlungsverfahrens.
23 Um die finanzielle Situation der Justiz nicht unnötig zu strapazieren, schlagen
24 wir vor, die Prozesskostenhilfe auch auf Strafverfahren auszuweiten.